Wer ist Journalist:in und wer nur Schaulustiger hier an der 1. Mai Demonstration in Zürich 2024? Mit blossem Auge schwierig zu erkennen, da sich grundsätzlich jede Person als Journalist:in bezeichnen darf. (KEYSTONE / Ennio Leanza)
Ein Beruf gilt in der Schweiz als reglementiert, wenn für seine Ausübung bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Qualifikationen wie Diplome oder Zertifikate erforderlich sind. Das gilt zum Beispiel für medizinische oder juristische Berufe. Wer ohne entsprechendes Studium den Titel «Arzt / Ärztin» oder «Anwalt / Anwältin» verwendet, macht sich strafbar.
Im Journalismus ist das anders und das hat einen guten Grund: In einer Demokratie sollen alle Menschen grundsätzlich das Recht haben, Informationen zu veröffentlichen, Meinungen zu äussern und Medien zu betreiben. Diese Freiheit ist ein Grundpfeiler der Meinungs- und Medienfreiheit.
Freiheit geht Hand in Hand mit Verantwortung
Wer sich Journalist:in nennt, übernimmt damit aber mehr als nur ein Sprachrohr für die eigene Meinung. Journalist:innen tragen Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Sie sollen sorgfältig recherchieren, Fakten von Meinungen trennen und das Publikum verlässlich informieren – zum Beispiel über politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Themen.
Wenn sich aber jede Person mit Reichweite, ob Influencer:in, Blogger:in oder Aktivist:in, einfach Journalist:in nennen kann, ohne sich an berufsethische Standards zu halten, verwässert der Begriff. Für die Öffentlichkeit wird es noch schwerer, qualitativ hochwertigen Journalismus von reiner Meinungsäusserung zu unterscheiden.
Ein Ansatz: Das Berufsregister
Es gibt bereits jetzt Bemühungen, die Berufsbezeichnung der Journalist:innen besser zu schützen. Die Berufsverbände impressum, Syndicom und Stimme Schweizer Medienschaffenden (SSM) haben gemeinsam das Berufsregister ins Leben gerufen. Erfüllt man als Medienschaffender folgende Kriterien, kann man sich dort offiziell eintragen lassen:
Zweijährige hauptberufliche Tätigkeit (mind. 50%) als Medienschaffender nachweisen können
Mitglied in einem der drei Journalist:innenverbände sein
Die Erklärung der Pflichten und Rechte von Journalist:innen (herausgegeben vom Presserat) muss unterzeichnet werden
Ein Eintrag im BR erlaubt den Erhalt des offiziellen Schweizer Presseausweises (Schweizer Presseausweis CH-BR), der markenrechtlich geschützt ist. Er bringt berufliche Vorteile, wie zum Beispiel beim Zugang zu geschützten Informationen, bei Recherchen oder rechtlichen Fragen.
Grobgeschätzt sind ca. 6000 Journalist:innen im Register eingetragen. Das entspricht etwa 2/3 der aktiv tätigen Medienschaffenden. Natürlich gibt es aber auch seriöse Journalist:innen, die nicht offiziell im Berufsregister eingetragen sind, weil sie zum Beispiel neu im Beruf sind, keinem Verband beitreten wollen oder als Freie arbeiten.
Eine weitere Art der Qualitätssicherung ist die Anstellung durch ein Medienhaus. Medienunternehmen haben ihrerseits eine Sorgfaltspflicht, neue Redaktionsmitarbeiter:innen auf ihr Können und ihre Arbeitsweise zu prüfen. Journalist:innen erhalten ihrerseits eine Art «Berufszertifizierung» durch eine Anstellung bei einem privaten Medienhaus oder auch der SRG durch die Markenreputation des jeweiligen Unternehmens.
Der Verband impressum hat neben dem Berufsregister auch das Projekt «Trusted Journalists» lanciert. Auf der Website werden überprüfte Journalist:innen aufgeführt, die berechtigt sind einen offiziellen Presseausweis auf sich zu tragen. Das Register ist für die Öffentlichkeit einsehbar. Ein öffentliches Online-Register würde in Zukunft zum Beispiel ermöglichen, dass bei jedem Artikel der Name des Autors oder der Autorin verlinkt ist auf das Register. So wäre es leicht überprüfbar, ob jemand sich offiziell den ethischen Grundregeln im Journalismus verpflichtet hat oder nicht.
Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) prüft derzeit, ob es Presseausweisen, die mit Trust-J.org verknüpft sind, in irgendeiner Form eine offizielle Anerkennung erteilen kann. Die Plattform wird vom BAKOM auch erwähnt im Nationalen Aktionsplan für die Sicherheit von Medienschaffenden in der Schweiz. Voraussetzung wäre, dass die Plattform branchenübergreifen getragen würde.
Wie erkennt man seriösen Journalismus?
Bis eine einheitliche Regelung gefunden wird, gibt es trotzdem einige Tipps und Tricks, um seriösen Journalismus zu erkennen. #UseTheNews Deutschland hat ein kompaktes Handout entwickelt mit Erklärungen und Beispielen rund um das Thema Desinformation sowie Tipps zum Faktenchecken. Hier ein paar mögliche Schritte, um schnell Fakten prüfen zu können:
Haben die Journalist:innen ihre Quellen Transparent gemacht in der Berichterstattung?
Ist ein Publikationsdatum ersichtlich? Manchmal werden auch alte Informationen erneut verbreitet.
Wer ist der Absender der Nachricht? Kommt es von einem Medienhaus? Oder einem privaten Social Media Account?
Die Liste ist natürlich nicht abschliessend. Eine kritische Einordnung von konsumierten Nachrichten ist aber immer erforderlich.
Die Haltung zählt
Dass sich jede:r Journalist:in nennen darf, ist Ausdruck unserer freien Gesellschaft – aber es ist auch eine Herausforderung. Allein durch den Titel ist kein Qualitätsstandart garantiert. Was zählt, ist das Verantwortungsbewusstsein, mit dem jemand arbeitet, recherchiert, prüft und berichtet.
Neben einem besseren Schutz für die Berufsbezeichnung der Journalist:innen, ist der beste Schutz die Steigerung der eigenen Medienkompetenz. Wer weiss wie Medien funktionieren, kann besser prüfen, welche Qualität die Information hat, die publiziert wurde.