Platz 111: Journalist:innen arbeiten in Haiti unter prekären Bedingungen und müssen sich bei Demonstrationen wie zum Beispiel am 19. März 2025 in Port-au-Prince immer wieder in Sicherheit bringen. (KEYSTONE / AP Photo / Odelyn Joseph)
Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RFS) hat am 2. Mai 2025 ihren jährlichen Bericht zur Lage der Pressefreiheit veröffentlicht. «Die weltweite Lage der Pressefreiheit ist 2025 auf historischem Tiefstand», schreibt RFS in ihrer Medienmitteilung. Neben dem Aufschwung von autokratischen Regimen und fragilen Sicherheitslagen in gewissen Ländern spielt vor allem der ökonomische Druck auf die Medien eine grosse Rolle. In fast einem Drittel der untersuchten Länder mussten Redaktionen im vergangenen Jahr aus wirtschaftlichen Gründen schliessen. Intransparente staatliche Inserate Vergabe, sinkende Werbeeinnahmen und die Marktmacht grosser Tech-Konzerne verschärfen die Situation der Medien zusätzlich. Aufgrund dieses wachsenden wirtschaftlichen Drucks stuft Reporter ohne Grenzen die weltweite Lage der Pressefreiheit erstmals als gesamthaft «schwierig» ein.
Laut RFS leben mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Staaten mit «sehr ernster Lage» der Pressefreiheit. Gerade mal sieben Länder werden als «gut» eingestuft im gesamten Ranking. Die Schweiz verpasst diese Einstufung knapp, ist aber mit «zufriedenstellend» im weltweiten Vergleich sehr gut gestellt.
Die Lage der Schweiz im Detail
Die Schweiz belegt 2025 wie schon im Vorjahr Platz 9 auf der «Rangliste der Pressefreiheit» von Reporter ohne Grenzen. Zwei zentrale Schwachpunkte verhindern ein besseres Abschneiden: Defizite im gesetzlichen Schutz für die Arbeit von Medienschaffenden sowie der zunehmende wirtschaftliche Druck.
Auf juristischer Ebene kritisiert Reporter ohne Grenzen vor allem den Artikel 47 des Bankengesetzes: In der Schweiz ist gesetzlich noch nicht klar geregelt, ob das Bankgeheimnis auch auf Journalist:innen anwendbar ist, deren Berichterstattung auf Bankdaten beruhen, die illegal von Dritten beschafft wurden, zum Beispiel, weil sie geleakt wurden oder von einem Whistleblower stammen. Selbst wenn die Medienschaffenden selbst nicht gegen das Gesetz verstossen haben, sondern sich an ihre beruflichen Standards halten, drohen ihnen unter Umständen strafrechtliche Konsequenzen. Reporter ohne Grenzen Schweiz fordert daher eine klare Gesetzesänderung, um den Schutz von journalistischer Arbeit im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu gewährleisten.
Das Jahr 2024 war in der Schweiz von umfassenden Sparmassnahmen in den Medienunternehmen geprägt. Diese Entwicklung belastet die ohnehin angespannte Lage der Medienlandschaft weiter. Die langfristige Gewährleistung eines flächendeckenden und verlässlichen Informationsangebots ist insbesondere in Randregionen nicht gesichert. Eine Übersicht über die wirtschaftliche Lage der Medienlandschaft hat die Republik in einem fortlaufenden «Watchblog» erstellt. Darin werden Entlassungen, Sparmassnahmen und politische Debatten rund um Journalismus chronologisch festgehalten.
Neben den wirtschaftlichen Problemen wird von Reporter ohne Grenzen auch die fehlende Regulierung von Online-Plattformen kritisiert. «In der Schweiz mit ihrem System der direkten Demokratie ist dieser Punkt besonders wichtig», sagt Isabelle Cornaz, Präsidentin von RSF Schweiz.
Keine Lust mehr auf News
Neben den strukturellen Problemen, denen der Journalismus gegenübersteht, ist auch das individuelle Nutzungsverhalten von der Bevölkerung entscheidend. Fast die Hälfte der Menschen in der Schweiz verzichtet ganz auf aktiven Nachrichtenkonsum und zählt damit zu den sogenannten News-Deprivierten. Wenn das Interesse schwindet an Journalismus, schwindet auch das Bewusstsein für Missstände in der Medienbranche, aber auch ganz generell in politischen Diskursen.
Dazu kommt, dass immer mehr junge Leute, News ausschliesslich über Social Media konsumieren, was die Finanzierung von unabhängigen Medienplattformen enorm erschwert. Medienhäuser können zwar über Social Media eine hohe Reichweite generieren und eine junge Zielgruppe erreichen. Geld verdienen sie damit in den meisten Fällen aber nicht.
Wie kann man Pressefreiheit messen?
Die Rangliste von Reporter ohne Grenzen basiert auf einem umfassenden System: Seit 2002 werden jedes Jahr 180 Länder und Territorien hinsichtlich ihrer Medienfreiheit untersucht. Der Index bewertet fünf Dimensionen:
Politischer Kontext
Rechtlicher Rahmen
Wirtschaftliches Umfeld
Soziokultureller Kontext
Sicherheit
Jeder Staat erhält in diesen Kategorien einen Punktwert zwischen 0 und 100. Der Wert 100 steht für maximale Pressefreiheit. Diese Daten werden zum einen auf Grundlage einer Untersuchung, für die ausgewählte Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen in den jeweiligen Ländern einen Fragebogen mit über 120 Fragen beantworteten, zum anderen auf Grundlage von quantitativen Erhebungen zur Sicherheit von Journalisten und Medien.