Nicht nur im Klassenzimmer lenkt das Handy ab: Auch im Deutschen Bundestag wird – wie hier bei der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer Sitzung im November 2017 – eifrig getippt. (KEYSTONE / EPA / Christian Bruna)

Die digitale Welt ist längst Teil des Schulalltags: Videos werden geteilt, Stundenpläne gecheckt, mit Freunden gechattet oder Games gezockt. In der Schweiz gibt es keine nationale Regelung zur Handy-Nutzung in Schulen. Jede Schulgemeinde regelt diese Frage individuell und Schulbildung liegt in der Kompetenz der Kantone. Vom kompletten Verbot auf dem Schulgelände bis zu freier Nutzung in Pausen und Einsatz im Unterricht gibt es alles.

Der politische Blick aufs Handy

Würde ein Verbot zu besserer Konzentration in der Schule führen? Würden die Jugendlichen wieder mehr sozial interagieren? Solche Fragen prägen die Debatte rund um das Thema. Die einen sehen in einem Handyverbot die Lösung und eine Entlastung für Kinder und Jugendliche. Kritiker:innen warnen, dass es sinnvoller ist, Schüler:innen einen gesunden und reflektierten Umgang mit Technologien beizubringen.

Politisch ist die Debatte um die Pflicht, elektronische Geräte im Schulunterricht quasi in den Flugmodus zu stellen, in diesem Jahr ebenfalls neu aufgerollt worden. In zwei Postulaten wird einerseits eine Prüfung zum erhöhten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor schädlichem Konsum der Sozialen Medien gefordert, andererseits die Prüfung eines Smartphone-Verbots an Schulen. Beide Forderungen wurden vom Ständerat ohne Gegenstimmen angenommen und auch vom Bundesrat gutgeheissen. Die Landesregierung soll nun unter anderem ein Handyverbot an Schulen prüfen. Laut persönlich.com äussert sich die Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider aber eher zurückhaltend im Hinblick auf ein nationales Handyverbot. Der Bund wolle sich nicht in kantonale Angelegenheiten einmischen.

Expert:innen sehen ein generelles Handyverbot kritisch

Die Bevölkerung ist sich sehr einig bei der Frage nach einem Handyverbot: 82% befürworten laut einer Umfrage von Sotomo ein Verbot. Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) lehnt dagegen ein generelles Handyverbot an Schulen ab. Der Verband spricht sich für «individuelle, stufengerechte Regelungen, die von Lehrpersonen und Schulleitung gemeinsam entwickelt werden» aus. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfiehlt, orientiert an einer Studie, flexible Regelungen. Zwar warnt die OECD vor Lernrückständen bei Schüler:innen, die oft ihr Handy nutzen. Die Organisation ist aber überzeugt, dass die Geräte spätestens seit Corona ein fester Bestandteil vom Schulunterricht geworden sind und auch ihren Nutzen bewiesen haben.

In einem Artikel zum Global Education Monitoring Report (GEM) ruft die Unesco zu klaren Richtlinien für die Handy-Nutzung an Schulen auf: «Only technology that has a clear role in supporting learning should be allowed in school.» Ein striktes Verbot lehnt sie allerdings auch eher ab. Es gibt aber durchaus Länder, die bereits ein Handyverbot durchgesetzt haben und positive Effekte beobachten konnten. Dazu gehören zum Beispiel die Niederlande.

Anfang 2024 wurde dort ein striktes Verbot eingeführt. Die Smartphones dürfen nur in Ausnahmefällen benutzt werden, zum Beispiel beim Einsatz für pädagogische Zwecke. Das Verbot soll laut einer Umfrage des Bildungsministeriums dazu geführt haben, dass die Schüler:innen untereinander sozialer sind und dem Unterricht konzentrierter folgen. Es wurden 600 Lehrer:innen und Schulleiter:innen befragt. Wie sich ein Smartphone-Verbot aber auf schulische Leistungen auswirkt, ist in der Wissenschaft nach wie vor eine offene Frage.

Was machen die Nachbarn?

Ein Handyverbot beschäftigt also nicht nur die Schweizer:innen. Europaweit wird über die Frage diskutiert, in welchem Umfang Kinder und Jugendliche Smartphones nutzen dürfen.

Ein Überblick:

  • Deutschland: In Deutschland gibt es kein bundesweites Handyverbot an Schulen, da Bildung in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt. Die Regelungen unterscheiden sich je nach Bundesland. Hessen plant als erstes ab dem Schuljahr 2025/2026 ein grundsätzliches Verbot der privaten Handynutzung an Schulen. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind ebenfalls strengere Vorgaben in Planung. Aktuell entscheiden vielerorts die Schulen selbst über den Umgang mit Smartphones.
  • Frankreich: Im Jahr 2018 hat Frankreichs Regierung ein nationales Handyverbot beschlossen. Das Gesetz verbietet grundsätzlich die Nutzung von Smartphones und Tablets an der Primar- und Sekundarschule. Ausgenommen von der Regelung sind Gymnasien (Lycées).  Die pädagogische Nutzung von Smartphones ist aber weiterhin erlaubt.
  • Italien: In Italien gilt seit 2024 ein striktes Handyverbot im Unterricht: Smartphones dürfen während der Zeit in der Schule weder privat noch zu Lernzwecken genutzt werden. Erlaubt sind nur Tablets oder Computer – aber nur mit Zustimmung der Lehrperson. Ziel ist es, Konzentration und klassische Lernmethoden wie Schreiben mit der Hand zu fördern.
  • Österreich: ​In Österreich wurde am 1. Mai 2025 ein bundesweites Handyverbot für Schulen bis zur achten Schulstufe eingeführt. Dieses Verbot umfasst sowohl den Unterricht als auch die Pausen und gilt für Smartphones und Smartwatches. Ziel ist es, Ablenkungen zu reduzieren und die Konzentration der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Ausnahmen können von den Schulen selbst festgelegt werden, beispielsweise für den Einsatz digitaler Geräte zu Unterrichtszwecken.

Ob ein generelles Handyverbot oder flexible Regeln – die Frage, wie digitale Geräte im Schulalltag sinnvoll eingesetzt oder bewusst ausgeklammert werden sollen, bleibt komplex. Ist es sinnvoll das Handy in Schweizer Klassenzimmern ganz auszuschalten? Oder sollte man den Flugmodus gezielt einsetzen, um zu entscheiden, wann es sinnvoll ist, die Verbindung nach aussen ganz zu kappen für die Konzentration und wann das Smartphone gezielt im Unterricht eingesetzt werden kann? Die Debatte macht deutlich, wie sehr das Handy im Klassenzimmer Jung und Alt beschäftigt. Es geht nicht um ein klares entweder-oder, sondern um die Suche nach einer ausgewogenen Lösung: zwischen Ablenkung und Potenzial.

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